Moderne
Medikamente für die Rheumatherapie
Mit zunehmenden Kenntnisstand über die Mechanismen der Gewebezerstörung
im Gelenk von Patienten mit rheumatoider Arthritis oder
auch chronischer Polyarthritis ist es möglich geworden,
neue und effektiver wirkende Medikamente, sogenannte "biologicals”
zu entwickeln. Diese Medikamente richten sich z. B. gezielt
gegen bestimmte körpereigene Botenstoffe, die Vorläufer
jeder Entzündung sind, so genannte proinflammatorische
Zytokine. Diese Zytokine spielen eine wesentliche Rolle
bei der rheumatischen Gelenkentzündung. Zwei der neuen Substanzen,
die ein bestimmtes Zytokin blocken, den Tumornekrosefaktor-alpha
(TNF-alpha), werden bereits routinemässig mit gutem Erfolg
angewandt: Infliximab (Remicade°) und Etanercept (Enbrel°).
Dabei
ist jedoch zu berücksichtigen, so betonte Prof. Dr. Joachim
Kalden, Erlangen (s.u.), dass Substanzen wie das Entzündungs-fördernde
TNF-alpha nur einen Teilaspekt der sehr komplexen Entzündung
darstellen, die im Gelenk abläuft und das Gelenk zerstört.
Inzwischen rückten auch andere proinflammatorische Zytokine
als Zielmoleküle für neue immuntherapeutische Strategien
bei der rheumatoiden Arthritis ins Visier, z. B. das Interleukin-15
und das Interleukin-18. Weitere Versuchsansätze in Erprobung
richten sich gegen bestimmte Zellen, die wichtige Komponenten
im Entzündungsmechanismus bei der rheumatoiden Arthritis
sind: die Antikörper-produzierenden B-Lymphozyten und die
T-Lymphozyten. In diesem Bereich werden derzeit Studien
mit monoklonalen Antikörpern durchgeführt, die entweder
gegen T- oder B-Lymphozyten gerichtet sind. Weitere Zielmoleküle
für therapeutische Eingriffe sind so genannte Metalloproteinasen,
Enzyme, die in der Gelenkinnenhaut (Synovia) von Patienten
mit rheumatoider Arthritis gebildet werden und für die Abnahme
der Grundschicht der Knorpelzellen (Matrix) verantwortlich
sind. Neue pharmakologische Strategien streben eine eine
Blockade dieser Enzyme an oder greifen gezielt in die Aktivierungsmechanismen
von z. B. T-Lymphozyten oder Makrophagen (Fresszellen im
Gewebe) ein.
Ein
wichtiges Gebiet ist darüber hinaus die Erprobung von neuen
Kombinationstherapien. Besonders beachtet werden derzeit
so genannte Basistherapeutika. Basistherapeutika nehmen
nicht sofort den Schmerz; sie sollen stattdessen die rheumatische
Entzündung bremsen und unter Kontrolle halten sollen (z.
B. Methotrexat, Sulfasalazin, Hydroxychloroquin oder Leflunomid).
Die Wirkung von Basistherapeutika stellt sich nur allmählich
über viele Wochen ein, ist aber sehr lang anhaltend.
Es hat sich herausgestellt, dass in schweren Krankheitsfällen
die Kombination verschiedener Basistherapeutika die Entzündungsaktivität
besser unterdrückt und die Gelenkzerstörung besser aufhält
als die Monotherapie. Teilweise ist es in klinischen Studien
bereits gelungen, durch derartige Kombinationen über
viele Monate andauernde Zeiten der Beschwerdefreiheit zu
erreichen, in denen die entzündliche Aktivität
im Gelenk ruht und die Zerstörung von Knorpel und Knochen
gestoppt wird. So laufen derzeit Untersuchungen zur Kombination
des neuen immunsuppressiv wirkenden Medikaments Leflunomid
(Arava°) mit TNF-alpha-blockierenden Substanzen. Gute Erfolge
wurden auch mit einer Kombination von Methotrexat und Leflunomid
bei Patienten mit rheumatoider Arthritis erzielt.
Allerdings
muss die Hemmung der überschiessenden rheumatischen
Entzündungsaktion mit einigen neuartigen Nebenwirkungen
erkauft werden. Kalden erwähnte, dass Patienten, die
TNF-alpha-Blocker erhalten, häufiger an schweren Infektionen
erkranken. Bei Leflunomid muss die Leberfunktion sehr regelmäßig
und aufmerksam kontrolliert werden, und bei entsprechenden
Anzeichen einer Leberstörung muss das Medikament im
Interesse des Patienten sofort abgesetzt werden. Neue und
wahrscheinlich noch bessere Kombinationstherapien werden
in den kommenden Jahren entwickelt. Ziel bleibt in jedem
Fall, das derzeitige Therapierepertoire in Richtung noch
spezifischer wirkender und nebenwirkungsärmerer Medikamente
bzw. Medikamentenkombinationen zu erweitern und zu verbessern.
Der
Einsatz der bereits in die Routineversorgung der Rheumapatienten
übernommenen neuen Medikamente ist allerdings sehr kostenintensiv.
Schätzungen der Medizinischen Hochschule Hannover zeigen,
dass die Jahrestherapiekosten inklusive Monitoring bei einer
Therapie mit TNF-alpha-Blockern mit 33.000 bis 39.000 DM
etwa 40fach teurer sind als die Monotherapie mit Methotrexat
per os (850 DM) und elf- bis 12fach teurer als eine Dreifachtherapie
mit Methotrexat parenteral, Sulfasalazin und Hydroxychloroquin
(3000 DM). Gleichwohl sind die Therapiekosten gerechtfertigt,
besonders wenn man berücksichtigt, dass Patienten mit
rheumatoider Arthritis in vielen Fällen bereits innerhalb
von fünf Jahren nach der Feststellung der Diagnose
berufsunfähig wird.
30.
Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie.
Pressekonferenz "Rheumatherapie - quo vadis?",
Leipzig, 20. September 2001.
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