Rheumatherapie
ernsthaft in Gefahr
Die Zahl der niedergelassenen Rheumatologen ist von Ende
1999 bis September 2001 von ca. 300 auf unter 200 gesunken,
weil die Fallpauschalen in der Rheumatologie inzwischen
so erschreckend niedrig sind, dass sich viele rheumatologisch
ausgebildete Internisten entschlossen haben, als internistische
Hausärzte zu arbeiten, weil die Abrechnungsmöglichkeiten
für hausärztlich arbeitende Internisten besser
sind als für fachärztlich arbeitende Kollegen.
Dadurch ist es für neu erkrankte Patienten kaum noch
möglich zu erkennen, welcher Arzt eine rheumatologische
Ausbildung hat. Immer mehr Rheumakranke landen auf diese
Weise über zu lange Zeit in einer unbefriedigenden
Versorgung, in der Basistherapeutika zu spät und zu
wenig gezielt eingesetzt werden, so dass der Krankheitsprozess
nicht ausreichend gestoppt wird, beklagte Prof. Dr. Gerd-Rüdiger
Burmester, Charité Berlin, und Präsident der
Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie, auf dem 30.
Kongress der Gesellschaft (s.u.). Das ist dramatisch, denn
im Durchschnitt tritt die Berufsunfähigkeit bereits
fünf Jahre nach der Erstdiagnose ein; diese Entwicklung
kann nur aufgehalten werden durch eine von Anfang an kompetente,
rheumatologische Therapie.
Bisher
konnten die Kliniken viele Defizite der niedergelassenen
Kollegen auffangen; sie konnten notwendige diagnostische
Maßnahmen durchführen, und sie konnten besser
moderne, koststpielige, aber hoch wirksame Arzneimittel
verordnen. Voraussichtlich ab dem 1.1.2003 wird damit Schluss
sein: Die Leistungen der Kliniken sollen dann nach einem
neuen Vergütungssystem abgegolten werden, es soll dann
nur noch Fallpauschalen geben, die auf die jeweilige Diagnose
bezogen sind (DRG = Disease Related Groups). Ein Rheumapatient
darf nach diesen Fallpauschalen in Zukunft durchschnittlich
nur noch vier Tage pro Quartal im Krankenhaus liegen, und
auch die Verordnung von Arzneimitteln wird drastisch eingeschränkt.
Dieses
System wurde dem australischen Gesundheitswesen nachgeahmt;
dort allerdings ist der nachstationäre Sektor wesentlich
besser ausgestattet als in Deutschland. Bei uns, so Burmester,
werden die Patienten in Zukunft zunächst in der Klinik
nicht ausreichend behandelt, um dann im ambulanten Bereich
auf ebenso schlecht ausgestattete niedergelassene Ärzte
zu stoßen. Ursprünglich war vorgesehen, Erkrankungen
des rheumatischen Formenkreises in den Risikostrukturausgleich
hineinzunehmen, durch den notwendige, aber besonders aufwändige
Therapien ermöglicht werden. Die gesetzlichen Krankenkassen
hatten hierzu gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für
iRheumatologie bereits umfangreiche Modelle erarbeitet.
Das Bundesgesundheitsministerium aber will Rheumakranke
nicht im Risikostrukturausgleich wissen.
"Ein
Rheumapatient, der nicht ausreichend behandelt wird, ist
fünf Jahre nach der Erstdiagnose Frühinvalide",
so Burmester. Für das gesamte Gesundheits- und Sozialsystem
sei es deshalb wesentlich kostengünstiger, die Rheumabehandlung
in den frühen Phasen optimal zu gestalten, als später
lange Berufsunfähigkeiten zu finanzieren.
30.
Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie.
Pressekonferenz "Rheumatherapie - quo vadis?",
Leipzig, 20. September 2001.
|